Farbenblind?
26. März 2020 / Lou Scheurmann
Ob es im ersten oder im zweiten Jahre meiner Primarschulzeit war, weiss ich heute nicht mehr. Wir mussten alle zum Schularzt, unter anderem um festzustellen, ob jemand farbenblind ist.
Mein Vater war Drogist, aber auch Präparator und da mein Bruder fast vier Jahre älter ist als ich, bekam ich die eine oder andere heimische Schulung, die eher als nicht ganz altersgerecht eingestuft würde. Als kleines Mädchen hinterfragt man das noch nicht und so nahm ich, wie alle Kinder, was ich bekam. Unser Vater war ein sehr gescheiter Mensch und alles in allem ein sehr guter Erklärer, dies wahrscheinlich vor allem deshalb, weil er selber alles wirklich verstehen wollte.
Aufgrund dieser Vorgabe lugte ich schon sehr früh durch ein Mikroskop und mein Vater erklärte geduldig, was zu sehen war, wie es mittels verschiedener Farb-Lösungen dazu kommt, dass man etwas sieht und wie wichtig das alles für Mensch, Tier und Pflanze ist, um gesund zu bleiben. Er zeigte uns verschiedenste Präparate, natürlich kann ich mich nicht an Namen erinnern, sehr gut aber an die unterschiedlichen Bilder.
Beim Schularzt wurden mir dann Bilder gezeigt, die für mich ganz einfach aussahen, wie die Präparate auf den Objektträgern unterm väterlichen Mikroskop. Ich sass also lange über diesen Bildern,
weil ich dachte, ich müsste wissen, um welche Erreger es sich handelt, wenigsten Bakterien oder Kokken. Ich war etwas verunsichert, vor allem dachte ich die anderen würden das viel besser und
schneller wissen als ich. Ob dem langen Studieren meinerseits war dann natürlich auch der Schularzt verunsichert. Kurz bevor er mir den Stempel «farbenblind» verpasste, gab er mir doch noch einen
Hinweis, im Sinn von «siehst du eine Form?» und ich erkannte die violette Sechs und die Vier in den grünen Punkten.
Das ist fast fünfzig Jahre her, ab und zu kam mir die Episode wieder in den Sinn, so bei dem gelegentlich notwendigen Sehtest.
Mit der gleichen erzieherischen Sorgfalt lernte ich auch das richtige Händewaschen. Erst heute ist mir aber die eigentliche Tragweite bewusst: Was ich da so früh lernte, was mir da zur
Selbstverständlichkeit wurde, ist vielen andern ein Buch mit sieben Siegeln, dessen Existenz sie teils gar ignorieren. Und dabei dachte ich doch, dass das alle Kinder ganz einfach daheim
lernen!
Also:
Bitte niesst in die Armbeuge, bohrt öffentlich und mit tagbenutzten Händen nicht in der Nase und wäscht die Hände genügend oft und vor allem richtig! Wer ansteckend krank ist, bleibt daheim, wer
nicht sicher ist auch.
Louise Scheurmann
März 2020