Produktschatten

Alle Dinge, die wir brauchen, haben, benutzen sind irgendwie hergestellt worden. Darum hat ein Produkt auch einen Preis. Es hat auch einen Wert. Preis und Wert sind nicht unbedingt identisch und der Wert mag bei verschiedenen Besitzern ungleich gross sein.
Aber das Ding wurde hergestellt. Dazu waren – meistens – verschiedene Materialien notwendig, Materialien die vorher gewonnen und zubereitet werden mussten. Die Materialien wurden zum Produkt zusammengefügt, irgendwo, irgendwie – oft lässt sich das gar nicht so genau eruieren, auch wenn man es gerne wüsste.

 

Dann hat man das Ding, es dient, es arbeitet, es nützt, es macht Freude. An manche Dinge gewöhnt man sich schnell und gern, meistens sind es die, die der Bequemlichkeit dienen oder dem Schaulaufen.
Dann dient das Ding plötzlich nicht mehr so zuverlässig, arbeitet nur unter ächzen und stöhnen, ist mehr hinderlich als nützlich, es macht Ärger. (Letzteres kommt auch gleich nach der Anschaffung vor.)


Wenn das Ding billig war, ersetzt man es einfach, das in Ungunst gefallene kommt dann in den Müll oder auf eine Deponie, wo man es anderen überlässt, was daraus noch werden kann. Wenn das Ding eher teuer war, dann wird eventuell tatsächlich ein Hersteller eine Reparaturarbeit ausführen. Sofern der Hersteller erreichbar ist. Nicht selten endet die Suche bei einem Schulterzucker, einer Schulterzuckerin. Endstation. Dann gibt es noch die ganz wenigen Dinge, die so gebaut sind, dass ein kundiger Handwerker sie wirklich reparieren kann. Die wenigsten gehen mit ihrem defekten Ding auf diese Suche. Sehr viele Dinge sind schon so gebaut, dass sie nicht repariert werden sollen.


Ermüdet schickt man sich hinein. Das Ding hat ja vielleicht nur Fr. 150.- gekostet, vielleicht auch nur Fr. 8.-, was soll’s. Vielleicht stellt man dann noch eine kurze Rechnung an, was das Ding auf die geleisteten Stunden gekostet hat; solche Rechnungen können wenigstens die Aufregung im Portemonnaie etwas beruhigen.


Wir haben immer mehr Dinge, die proprietär sind und Bauteile tragen, die nur von diesem Hersteller geliefert werden können. Ein Ersatz ist nicht möglich, die Bauteile sind zudem nicht selten Materialverbunde, die für das Recycling nicht ganz ohne sind. Sehr anschauliche Beispiele finden sich bei den Druckern, Geräte die bald in jedem Haushalt stehen. So ist der Fortbestand meines Druckers nicht selten von der Huld des Herstellers abhängig. Beschliesst dieser ein Produkt nicht mehr mit Zubehör zu versorgen, ist auch Endstation.


Tatsächlich schleicht sich neuerdings der Begriff «graue Energie» in die eine oder andere Nachhaltigkeitsdiskussion. Und das ist gut so, sogar sehr gut und sollte noch viel öfter geschehen!


Das Produkt hat aber nicht nur Energie in sich aufgenommen oder «verbraucht», es ist auch aus Materialien und damit aus Rohstoffen, die gewonnen, raffiniert, veredelt und verfeinert werden mussten. Rohstoffe, die man in diesem Zustand dann nicht einfach wieder in den Boden drücken kann.
Das Produkt hat damit einen Produktschatten. Dieser besteht aus der benötigten Energie und allen Zutaten und wiederum auch deren Energie. Schon in diesem kurzen, letzten Satz wird klar, wie schwierig es ist, all diese Aufwendungen zu einem konkreten Wert zusammenzustellen. So ist Schatten als Wort, als Begriff sehr geeignet; ein Schatten lässt sich kaum festhalten, er hat oft unklare Konturen und je nach Lichteinfall kann er grösser oder kleiner sein und seine Ausrichtung ändern.

November 21